Das Deutsche Schulbarometer ist da!
Zum ersten Mal wurden Lehrkräfte gezielt zu Partizipation und Demokratiebildung befragt.
Das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung ist eine repräsentative Umfrage die seit 2019 jährlich Einblicke in die aktuelle Lage an deutschen Schulen liefert. Für die diesjährige Studie wurden 1.540 Lehrkräfte zu verschiedenen Bereichen ihres Berufsalltags befragt. Neu dabei: Fragen zur Demokratiebildung, zur Mitbestimmung von Schüler*innen – und erstmals auch zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht.
Ein zentrales Ergebnis: Der Lehrkräftemangel bleibt die größte Herausforderung. Und er hat spürbare Folgen – auch für die Demokratiebildung. Wo Zeit und Ressourcen fehlen, bleibt kaum Raum für fächerübergreifende Themen oder neue pädagogische Ansätze.
So zeigt die Befragung etwa, dass sich nur 6 % der Lehrkräfte im Umgang mit KI sicher fühlen. Viele befürchten, dass soziale Kompetenzen auf der Strecke bleiben oder sich Lernprozesse grundlegend verändern. Noch deutlicher werden die Ergebnisse bei der Frage nach Mitbestimmung in der Schule (s. Abb. 2.4): Zwar geben 86 % der Lehrkräfte an, dass Schüler*innen bei der Aufstellung von Klassenregeln mitentscheiden dürfen – doch sobald es um Inhalte des Unterrichts oder schulweite Themen geht, wird die Luft dünn. Nur 10 % der Befragten ermöglichen etwa eine Mitbestimmung bei der Auswahl von Unterrichtsmaterialien, und 59 % schließen Mitsprache in diesem Bereich aus.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit deutlich hinter anderen Ländern. Laut ICCS-Studie berichten 31 % der europäischen Lehrkräfte von mittlerer bis hoher Mitbestimmung durch Schüler*innen – also dreimal so viele wie in Deutschland (Deimel et al., 2024, in: Deutsches Schulbarometer 2025, S.26).
Die Frage nach dem "Wie" - Partizipation als zentraler Aspekt der Demokratiebildung
Es ist Zeit für einen ehrlichen Beteiligungs-Check! Die Befragung spiegelt unsere Erfahrungen aus über zehn Jahren aula-Praxis wieder: Die Möglichkeiten worüber Schüler*innen an ihrer Schule mitbestimmen können, sind sehr begrenzt. Dabei bringen Schüler*innen ein hohes Interesse mit, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Schule zu beteiligen. Und viele Lehrkräfte möchten das ermöglichen: Jede*r zweite Befragte formulierte den Wunsch nach Veränderung klar: 54 % der Lehrkräfte wünschen sich mehr Demokratiebildung. Doch sie sehen sich mit strukturellen Hürden konfrontiert. Genannt werden insbesondere der Zeitmangel, Unsicherheiten im Umgang mit dem Neutralitätsgebot sowie fehlendes fachliches und didaktisches Wissen. Es gibt zu viele Unklarheiten, wie weit Beteiligung im Rahmen ihrer Rolle überhaupt gehen darf.
Schulen stehen vor der Aufgabe, junge Menschen auf ein Leben in einer demokratischen Gesellschaft vorzubereiten. Das gelingt nur, wenn demokratisches Handeln nicht theoretisch vermittelt, sondern praktisch erlebbar wird. Teilhabe muss früh erlernt und im Schulalltag aktiv erprobt werden – nicht als Ausnahme, sondern als selbstverständlicher Bestandteil des schulischen Miteinanders. Schulen müssen Räume schaffen, in denen diese Erfahrungen möglich sind – denn fehlende Demokratiebildung betrifft nicht nur die Schule, sondern unsere gesamte Gesellschaft.
Vom Wunsch zur Wirklichkeit: Was es jetzt braucht
Demokratiebildung endet nicht am Rand des Stundenplans, sondern beginnt im gemeinsamen Aushandeln von Regeln, im Mitgestalten von Unterricht und im Ernstnehmen von Schüler*innen-Perspektiven: Damit Demokratiebildung nicht am Stundenplan scheitert, muss sie zur Querschnittsaufgabe werden. Lehrkräfte brauchen dafür passende Materialien, rechtliche Sicherheit und vor allem: eigene Erfahrungen mit Mitbestimmung. Denn wer selbst Teilhabe erlebt hat, kann sie glaubwürdig vermitteln.
Bereits in der Ausbildung sollte Partizipation deshalb eine Rolle spielen – unabhängig vom Fach. Es braucht fächerübergreifende Ansätze, die Teilhabe sichtbar und erlernbar machen. Und: Lehrkräfte selbst sollten in ihrer Ausbildung wie im Berufsalltag mehr Mitsprache erhalten. Denn gelebte Demokratie beginnt bei den Menschen, die sie vermitteln.
Partizipation und Selbstwirksamkeit sind keine netten Extras. Sie sind die Grundlage für demokratisches Verständnis – und damit für eine Gesellschaft, die ihre Zukunft gemeinsam gestalten kann.
Die diesjährige Studie “Das Deutsche Schulbaromenter” der Robert Bosch Stiftung wurde am 25.06.2025 veröffentlicht und entstand in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Forschungsteam der Universität Heidelberg, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Potsdam.
Hier geht's zur ganzen Studie.
Der 1. Mai ist mehr als ein freier Tag - Er ist ein Tag der Solidarität
Während viele sich über ein verlängertes Wochenende freuen, erinnern andere daran, worum es an diesem Tag eigentlich geht: Der 1. Mai ist der internationale Aktionstag der Arbeiter*innenbewegung – ein Tag des Widerstands, der Solidarität und der Frage, wie gerecht unsere Arbeitswelt heute wirklich ist.
In Deutschland wie in vielen anderen Ländern ist dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag. Die Europäische Union verankert Beteiligung in der Arbeitswelt in der Grundrechtecharta – Artikel 27 und 28 garantieren Mitspracherechte für Arbeitnehmer*innen in allen Mitgliedsstaaten. In Ländern wie den USA oder Kanada wird der Tag der Arbeit stattdessen im September gefeiert – doch das Anliegen bleibt dasselbe:
Rechte sichtbar machen, Arbeitsbedingungen verbessern, Mitbestimmung ermöglichen.
Was wurde erreicht? Was steht noch aus?
Ein Blick zurück zeigt: Die Arbeiter*innenbewegung hat vieles erreicht. In Deutschland sichern Gesetze heute Mitbestimmungsrechte: Betriebsräte vertreten die Interessen der Belegschaft, in größeren Unternehmen können Arbeitnehmer*innen über den Aufsichtsrat Einfluss nehmen. Tarifverträge und Gewerkschaften sorgen für kollektive Vereinbarungen bei Löhnen, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen.
Doch gleichzeitig wird deutlich: Diese Strukturen reichen nicht immer aus.
Viele Unternehmen sind weiterhin hierarchisch organisiert, Entscheidungen fallen ohne Rückkopplung zur Belegschaft. Das Streikrecht – eines der wichtigsten demokratischen Mittel – steht nicht allen Beschäftigten zu. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung geraten Mitbestimmung und Gewerkschaften immer wieder unter Druck.
Neue Modelle, alte Fragen
Dabei gibt es längst Ansätze, Arbeit anders zu gestalten. Kollegiale Führung, Soziokratie und Holokratie verteilen Verantwortung neu. Sie setzen auf geteilte Entscheidungsprozesse, auf Teams statt Vorgesetzte, auf Vertrauen statt Kontrolle. In soziokratischen Unternehmen wird im Konsent entschieden: Einwände werden ernst genommen, Lösungen gemeinsam entwickelt. In holokratischen Modellen übernehmen Teams selbstständig Verantwortung – ohne klassische Chef*innenrolle. Diese Ansätze zeigen: Mitbestimmung ist nicht nur ein Recht, sondern ein Prinzip, das man leben kann.
Mitgestalten statt verwalten
Mitbestimmung ist mehr als ein Instrument in Unternehmen – sie ist Ausdruck einer Haltung. Dort, wo Menschen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, entstehen Vertrauen, Verantwortung und Gemeinschaft. Ob im Betrieb, in der Kommune oder im Alltag: Beteiligung stärkt Demokratie, weil sie Menschen befähigt, ihre Umwelt aktiv mitzugestalten. Doch diese Kultur entsteht nicht von selbst. Sie muss gewollt, ermöglicht – und immer wieder eingefordert werden.
Der 1. Mai erinnert uns an historische Kämpfe – und zeigt gleichzeitig, dass der Einsatz für faire Bedingungen und echte Mitbestimmung längst nicht abgeschlossen ist.
Wir feiern alle, die sich heute einsetzen: in Gremien, Gewerkschaften, Teams, Klassenzimmern.
Für mehr Demokratie im Alltag. Für Strukturen, die Menschen mitdenken – nicht übergehen.
Für eine Arbeits- und Lebenswelt, in der Mitbestimmung nicht Ausnahme, sondern Prinzip ist.
Gute Bildung hilft gegen Kinderarbeit
Vor über drei Jahren habe ich angefangen, mich gemeinsam mit meinem Freund gegen Kinderarbeit zu engagieren, er hatte damals eine Unterrichtsstunde zu dem Thema. Als wir daraufhin weiter über Kinderarbeit recherchiert haben, ist uns aufgefallen, wie wenig wir eigentlich über Kinderarbeit gelernt haben und was für ein weitreichendes Problem sie immer noch darstellt. Daraufhin haben wir unter anderem eine Website (www.fightchildlabor.de) gegen Kinderarbeit erstellt und Anfang 2024 auch einen Podcast gegründet. Da NGOs mich schon immer fasziniert haben und Bildung ebenfalls ein wichtiger Schritt gegen Kinderarbeit ist, bin ich auf aula gestoßen und freue mich nun hier mein Schülerpraktikum zu absolvieren.
Gastbeitrag von Jonathan
aula ist eine gemeinnützige Organisation für Demokratiebildung an Schulen. Sie kümmert sich um Mitbestimmung für die Schülerinnen und Schüler – denn zur Schule gehen ist in Deutschland selbstverständlich und sogar Pflicht. Doch für manche Kinder auf der Welt sieht das ganz anders aus:
Über 160 Millionen Kinder weltweit verrichten Kinderarbeit. Das ist jedes zehnte Kind der Welt. Als Kinderarbeit werden Arbeiten bezeichnet, für die Kinder entweder zu jung sind oder die gefährlich, ausbeutend oder aus anderen Gründen schädlich für ihre körperliche und seelische Entwicklung sind. Auch Arbeiten, die Kinder vom Schulbesuch abhalten, werden dazugerechnet.
Kinderarbeit ist reeller als man denkt
Kinderarbeit ist auch noch heute ein viel weitreichenderes Problem als viele denken. Für Kinder, die von Kinderarbeit betroffen sind, ist dies oft sehr gefährliche Arbeit. Ihr Alltag ist beispielsweise die Arbeit auf Kakaoplantagen, für 12 Stunden täglich oder in Kleidungsfabriken, umringt von Chemikalien. Von den 160 Millionen arbeitenden Kindern sind fast 80 Millionen, also gut die Hälfte, unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen tätig. Kinderarbeit kann viele verschiedene Formen annehmen, sodass sie in fast allen Branchen wiederzufinden ist. Rund um die Welt arbeiten Kinder in der Landwirtschaft, in Fabriken oder verrichten Hausarbeit. Entgegen vielen Klischees findet Kinderarbeit auch nicht nur in afrikanischen Ländern statt – sie ist das Problem fast aller Länder. Selbst in Industriestaaten wie den USA oder Italien gibt es immer wieder Verletzungen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz, wenn auch im geringeren Ausmaß.
Wieso arbeiten Kinder?
Umso wichtiger ist es, sich über Kinderarbeit zu informieren und zu wissen, wieso so viele Kinder arbeiten müssen. In den meisten Fällen führt die schlecht bezahlte Arbeit der Eltern Kinder auf die Plantagen und in die Fabriken, um die Familie über Wasser halten zu können. Ohne diese Arbeit könnten viele Familien schlichtweg nicht überleben. Der Besuch der Schule rückt dadurch in den Hintergrund und wird vernachlässigt. Es bildet sich ein Teufelskreis, der die Kinder durch die mangelnde schulische Ausbildung später ebenfalls in die unterbezahlten Arbeitsbereiche lotst, in denen bereits ihre Eltern tätig waren und aus denen sie kaum eine Chance haben auszubrechen. Der Mangel an sozialen Sicherheitssystemen begünstigt diese Umstände, sodass eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch Ihre Kinder diesen Kreislauf später fortsetzen werden.
Natürlich gibt es aber auch noch andere Ursachen für Kinderarbeit. Diese betreffen zum Beispiel Diskriminierung, beispielsweiser indigener Volksgruppen, denen die Kinder angehören. Denn diese werden in manchen Ländern leider immer noch ungleich gegenüber der Mehrheit behandelt und landen so in den untersten sozialen Schichten. Migration ist ebenfalls ein Grund: viele Kinder kommen teils auch illegal in andere Länder, wo sie dann mangels sozialer Einrichtungen oder Ähnlichem, Geld zum Überleben verdienen müssen. Politische Gegebenheiten sind also auch Ursachen für Kinderarbeit. Das betrifft auch das Bildungssystem, die humanitäre Situation oder die Regierungsform des jeweiligen Landes.
Das EU-Lieferkettengesetz
Die Bekämpfung von Kinderarbeit ist aber nicht einzig und allein Aufgabe der betroffenen Länder – nicht zuletzt durch die Globalisierung sind die Industriestaaten, wie wir in Deutschland, mitverantwortlich an der weltweiten Kinderarbeit. Daher haben auch wir eine Pflicht, weltpolitisch gegen Kinderarbeit vorzugehen. Ein guter Schritt in die richtige Richtung ist das EU-Lieferkettengesetz. Nachdem 2023 bereits das deutsche LKG1 in Kraft getreten ist, zeigte auch die Europäische Union Anfang 2024 Interesse an einem Lieferkettengesetz.
Dies sollte für Sorgfalt und Transparenz in der Lieferkette, also dem gesamten Entstehungsweg eines Produktes, von großen Unternehmen sorgen und so dabei helfen, unter Anderem Kinderarbeit zu minimieren. Nachdem sich die Mitgliedsstaaten bereits im Dezember 2023 mündlich auf einen Gesetzesentwurf geeinigt hatten, machte die ehemalige Regierungspartei FDP im Februar 2024 einen Rückzieher. Begründet wurde dies mit der Notwendigkeit, Arbeitgeber und Wirtschaft zu stärken. Dieser Schritt führte dazu, dass Deutschland den Gesetzesentwurf, nicht mehr unterstützte – mit weitreichenden Folgen: Auch Italien und daraufhin zahlreiche kleinere Länder nahmen Abstand von der Idee eines EU-Lieferkettengesetzes, sodass das Gesetz die Mehrheit von 15 Staaten mit einem Bevölkerungsanteil von 65% verfehlte und scheiterte.
Der Kompromissvorschlag
Der Gesetzesentwurf wurde daraufhin überarbeitet und angepasst, sodass ein Kompromiss zustande kam, der unter Anderem Italien überzeugte und so auch ohne Deutschland eine Mehrheit gefunden werden konnte. Diese Anpassung schwächte das Gesetz ab., beispielsweise gilt das Gesetz nun erst für Unternehmen ab 1000 statt 500 Mitarbeitenden und einem jährlichen Umsatz von 450 statt 150 Millionen Euro. Dennoch ist ein EU-weites Gesetz, welches große Unternehmen zur Sorgfalt in ihrer Lieferkette verpflichtet trotz der notgedrungen Abstriche viel wert. Dass das Gesetz es trotz des starken Gegenwinds durch das EU-Parlament geschafft hat, ist ein großer Erfolg und ein Fortschritt, mit dem selbst Expert*innen nicht gerechnet haben.