Tester*innen für das große Update der aula-App gesucht!
Wir freuen uns, euch mitzuteilen, dass unsere aula-App ein großes Update erhält, und wir brauchen eure Hilfe, um sie so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten! Teile unsere Neuigkeiten und hilf uns so dabei Tester*innen zu finden!
Wer kann teilnehmen und was erwartet euch?
Egal, ob ihr die App bereits nutzt oder gerade erst davon erfahren habt – alle Schüler*innen sind herzlich eingeladen, uns zu unterstützen. Die Testphase findet voraussichtlich Ende Juli und im August statt und wird insgesamt etwa 5 Stunden in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit erhaltet ihr Zugriff auf die Beta-Version der App, nehmt an Umfragen teil und eventuell an einem digitalen Feedback-Termin. Eure regelmäßigen Rückmeldungen sind entscheidend, um die App zu verbessern.
Wie könnt ihr mitmachen?
Hier erfährst du mehr und kannst dich für das Testing anmelden. Ob du als Tester*in ausgewählt wurdest, erfährst du per Mail. Keine Schüler*in mehr? Dann teile unseren Aufruf in deinem Netzwerk, damit möglichst viele Schüler*innen die Chance haben in unseren Testing-Pool aufgenommen zu werden.
Warum lohnt es sich mitzumachen?
Eure Teilnahme ist ein wertvoller Beitrag zur Weiterentwicklung unserer App. Ihr bekommt die Möglichkeit, die neuesten Funktionen als Erste*r auszuprobieren und direktes Feedback zu geben. Außerdem wird eure Testing-Unterstützung belohnt! Wir haben ein Dankeschön im Wert von 75€ für die Teilnehmer*innen vorbereitet, dass jedes ausgewählte Testing-Team-Mitglied am Ende des Prozesses erhält.
Wir freuen uns auf eure Anmeldung und eure wertvollen Rückmeldungen.
Neue Initiative zur Stärkung der Demokratiebildung: Teach First Deutschland und aula
Wir freuen uns riesig, eine wegweisende Zusammenarbeit zur Stärkung der Demokratiebildung an Schulen in herausfordernden Lagen ankündigen zu können. Die Initiative wird durch eine großzügige Förderung durch die Deutsche Postcode Lotterie in Höhe von 1,8 Mio. Euro und der Verleihung des „Traumtalers“ unterstützt. Möglich ist diese Unterstützung dank der zahlreichen Teilnehmenden der gemeinnützigen Soziallotterie.
Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, die Selbstwirksamkeit junger Menschen zu fördern und demokratische Teilhabe praktisch umzusetzen. Dafür werden bis zu 180 TeachFirst-Fellows an Weiterbildungsformaten zur Demokratiebildung teilnehmen können. Damit können sie den Ansatz und das Konzept von aula an die Kooperationsschulen von Teach First Deutschland bringen. Durch die intensive Begleitung der Fellows erhalten Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulleitungen Unterstützung bei der langfristigen Integration demokratischer Beteiligung an den Schulen.
Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit und werden in den kommenden Wochen und Monaten auf unserem Blog über Neuigkeiten und Erfolge berichten. Hier geht’s zur offiziellen Pressemitteilung.
„Ich glaube, ich habe heute mehr gelernt, als wenn ich Unterricht gehabt hätte“
Mittlerweile ist es eine liebgewonnene Tradition, dass das aula-Team einmal im Jahr für ein Barcamp nach Freiburg fährt. Hier treffen wir Schulen aus Baden-Württemberg, die entweder schon mit aula arbeiten oder die sich dafür interessieren, aula anzuwenden. Alle Teilnehmenden haben ein Ziel gemeinsam: Sie möchten die Beteiligung von Schüler*innen an ihren Schulen stärken.
Bei dem Treffen geht es darum, Erfolge zu feiern, sich über Hürden auszutauschen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Beim diesjährigen Barcamp am 7. März 2024 waren wir rund 60 Personen aus zehn Schulen, davon etwa zwei Drittel Schüler*innen. Das Besondere daran ist, dass so verschiedenste Perspektiven und Erfahrungen zusammenkommen, von denen alle profitieren können, die dabei sind. Alle tauschen sich auf Augenhöhe aus, Lehrkräfte werden geduzt und das Fazit einer Schülerin spricht für sich: „Ich glaube, ich habe heute mehr gelernt, als wenn ich den ganzen Tag Unterricht gehabt hätte“
Das Team rund um Dejan Mihajlovic und David Pomp vom ZSL Baden-Württemberg richtet das Barcamp gemeinsam mit uns aus. Dejan und David sind erfahrene Barcamp-Experten und nicht nur ein Garant für eine super Organisation, sondern auch für tanzbare Playlists in den Pausen, leckere Snacks und vor allem gute Laune.
aula zeigt, was Schüler*innen bewegt
Beim aula-Barcamp 2024 lag viel Entschlossenheit in der Luft. Den Teilnehmenden liegt es am Herzen, die Beteiligungskultur an ihren Schulen zu fördern. Sie sind überzeugt, mit aula ein Werkzeug gefunden haben, das ihnen dabei hilft. Sie sehen, wie viel Aufwind aula vielen Jugendlichen gibt, die eine Möglichkeit gefunden haben, ihre Interessen auf die Agenda der Schulgemeinschaft zu setzen. Vor allem die Transparenz, die aula ermöglicht, begeistert viele. Die Jugendlichen sehen ein riesiges Potenzial darin, durch aula Ideen mit der gesamten Schulgemeinschaft umzusetzen – und nicht nur im kleinen SV-Kreis zu verhandeln.
Plötzlich wissen Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und Schulleiter*innen, was die Jugendlichen bewegt, welche Veränderungen sie sich wünschen. Das liegt vor allem daran, dass aula immer zugänglich ist und nicht, wie Versammlungen oder Konferenzen, nur alle paar Wochen oder Monate mit ausgewählten Teilnehmenden stattfindet. Beispiele für Veränderungen, die über aula angestoßen oder abgestimmt wurden, sind folgende: Bereitstellung kostenfreier Periodenartikel auf Toiletten, das Speichern von Klassenarbeiten in digitalen Stundenplänen, die Anschaffung von Spielgeräten für Pausen – und natürlich vieles mehr.
Wird mit aula alles gut?
Bei der Einführung und Betreuung von aula haben einige Schulen an mehreren Stellen mit Widerständen zu kämpfen: Viele erhalten keine oder wenig Unterstützung aus dem Lehrkräftekollegium. Viele wünschen sich mehr Motivation unter Schüler*innen. Beides sind Symptome eines überlasteten Schulsystems. So wurde auch unter den teilnehmenden Jugendlichen deutlich, wie viel Belastung sie im Schulalltag ausgesetzt sind. G8, Abistress, Druck durch Social Media, Mobbing und Ansprüche der Schule und des Elternhauses sind nur einige Schlagworte, die in dem Zusammenhang gefallen sind. Die Lehrkräfte, die sich an ihren Schulen für aula einsetzen, sind manchmal gleichzeitig Mathelehrerin, Projektmanagerin, IT-Kraft, Vertrauenslehrerin und Demokratieberaterin.
Es braucht Zeit, Schüler*innen den Raum für Mitgestaltung anzubieten. Die meisten Jugendlichen sind es nicht gewohnt, im Rahmen der Schule nach ihrer Meinung gefragt zu werden und mitbestimmen zu dürfen. Dass ihre Veränderungswünschen und Ideen eine Bedeutung haben, ist ihnen fremd. Viele gehen davon aus, dass ihre Beiträge sowieso nichts ändern würden. Sie vom Gegenteil zu überzeugen, benötigt Freiräume, Zeit – und manchmal auch Geld. Die Veränderungen, die die Jugendlichen sich wünschen, gibt es nicht immer gratis. Neue Spielgeräte, Periodenartikel, gemütliche Sitzmöglichkeiten im Aufenthaltsraum sind Ideen, die finanziert werden müssen. Das zu organisieren, ist für die Schüler*innen selbst häufig schwierig. Hier bietet es sich an, ein Budget zur Verfügung zu stellen, über das Schüler*innen bestimmen dürfen. Finanzieren lässt sich das beispielsweise durch Spenden lokaler Unternehmen oder öffentliche Fördertöpfe.
Das nächste Barcamp kommt bestimmt
Die Idee, Barcamps mit mehreren Schulen zu veranstalten, die sich alle mit aula und Beteiligung beschäftigen, finden wir von Jahr zu Jahr besser. Wir planen aktuell, ähnliche Formate auch in anderen Regionen umzusetzen, in denen es mehrere aula-Schulen gibt. (Angehende) aula-Schulen, die Interesse an und auch Räumlichkeiten für eine solche Veranstaltung haben, können sich sehr gern bei uns melden!
"Nur wenn jemand zuhört, kann man sich öffnen"
Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich mich nicht zwingen musste, zur Schule zu gehen. Sei es nach den Ferien, nach einem schönen Wochenende oder einfach nach einem ganz normalen Tag. Sobald ich realisierte, dass ich am nächsten Tag wieder an diesen schrecklichen Ort zurück muss, war meine Stimmung im Keller. Und das ist so schade, weil die Schule eigentlich so viel Potenzial bietet, zu lernen. Über sich selbst, über andere und natürlich über die Welt. Leider läuft das jedoch nicht immer so ab. Aber was war denn so schrecklich an meiner Schulzeit? Und was könnte man ändern, damit es Schüler*innen in Zukunft nicht so ergeht?
Ich wurde damals mit fünf Jahren eingeschult. Für mich war das aufregend, es war schließlich der Anfang eines neuen Lebensabschnitts und ich blickte neugierig in die Zukunft. Als man mir aber sagte, ich würde nun für die nächsten 12 Jahre zur Schule gehen, verfiel ich sofort in Panik. Ich wollte das nicht. Vielleicht war ich auch tatsächlich noch zu jung, um eingeschult zu werden. Nach einiger Zeit habe ich mich aber daran gewöhnt, jeden Tag zur Schule zu gehen. Ich bin zwar nicht gerne dorthin gegangen, aber ich war mir sicher, ich würde sehr viel lernen, zahlreiche Freunde finden und mich schlussendlich auch für einen Beruf entscheiden können. Leider sah die Realität eher anders aus. Ja, ich habe eine Menge gelernt. Aber was habe ich gelernt? Viel Stoff, den ich vermutlich nie wieder brauchen werde. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass wir mit eingebunden werden, dabei den Unterricht mitzugestalten und mehr von dem zu lernen, was uns interessiert und was wir ganz praktisch im Leben brauchen. Wie man eine Steuererklärung macht, zum Beispiel. Auch wenn es sicher wichtig ist, grundlegende Kenntnisse in Deutsch oder Mathe nach einem bestimmten Lehrplan zu unterrichten, hätten ein bisschen Freiraum und ein paar Möglichkeiten zum Mitentscheiden bereits geholfen. Ausgerechnet im Deutschunterricht hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass ich das, was ich gerade lerne, nie wieder brauchen werde. Das ist alles Zeit, in der man auch etwas Nützliches lernen könnte.
Zwischen Druck und Zwang
Auch das Entscheiden für einen Beruf fiel (und fällt mir immer noch) nicht leicht. Bei mir gab es zwar in der weiterführenden Schule mehrere Stunden zur Berufsberatung, diese verursachten aber leider mehr Druck als Entschlossenheit. Dass man in der Schule noch nicht unbedingt wissen muss, was man später mal machen möchte, ist mir völlig klar. In der Schule hätte man jedoch die Möglichkeit herauszufinden, was einen interessiert und sich dementsprechend fördern zu lassen. Das ist aber schwierig, wenn dir Themen, sogar ganze Fächer, aufgezwungen werden. Ob dich das interessiert, ist egal. Du musst es lernen. Und als wäre das nicht schon genug, wirst du dafür auch noch benotet. Dir wird ein Thema aufgezwungen und wenn du das dann nicht gut genug beherrschst, wirst du bestraft.
Ebenso wirst du bestraft, wenn du still bist. Ich kann die Benotung der mündlichen Mitarbeit zwar nachvollziehen, finde sie jedoch fraglich. Nicht zuletzt, weil ich selbst eine stille Schülerin war. Aber wenn die mündliche Beteiligung schon benotet wird, wieso werden dann immer noch Schüler*innen aufgerufen, die sich nicht melden? Selbst wenn die Person die Antwort weiß, man sollte niemanden zwingen etwas zum Unterricht beizutragen. Auch ich wurde oft unaufgefordert aufgerufen. Danach war es dann erstmal still, da ich die Antwort – Überraschung – dann meistens nicht wusste. Ich habe diese Stille immer als sehr unangenehm empfunden, da meine Lehrerin so lange schweigend wartete, bis ich etwas gesagt habe. Also habe ich irgendwann angefangen: „Ich weiß es nicht“, zu antworten. Meine Lehrerin brachte sowohl verbal als auch mimisch zum Ausdruck, dass es frech wäre, das zu antworten. Ich fühlte mich unwohl, unter Druck gesetzt und gezwungen. Dieser Umgang führte dazu, dass ich mich irgendwann aktiv zwingen musste jeden Tag zur Schule zu gehen. Und das schon in der Grundschule.
Wie sich Schule auf die mentale Gesundheit auswirkt
Es war auch nicht alles schrecklich in der Schule. Es war schön, meine Freunde jeden Tag sehen zu können. Aber nicht jeder hat Freunde. Und nicht jeder wird von seiner Familie unterstützt. Wenn man also weder Freunde noch Unterstützung seiner Familie hat und dann auch noch unter massivem Leistungsdruck leidet, wird man höchstwahrscheinlich unglücklich. Depressionen kommen unter Jugendlichen immer öfter vor und darüber muss gesprochen werden. Am besten dort, wo sie leider oft entstehen. Ein sensibler Umgang mit dem Thema könnte schon helfen und vielleicht sogar ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt erzeugen.
Die Schule wäre auch ein guter Ort, um zu lernen, wie wichtig es ist, sich gut um sich selbst zu kümmern. Genügend zu essen, zu trinken und sich auch mal was zu gönnen. Das bringt einem leider niemand bei und das ist schade. Im Gegenteil, es kommt oft genug vor, dass Lehrer*innen sich im Ton vergreifen, manchmal sogar schreien, und kaum Respekt vor den Schüler*innen haben. Bei mir kam das sogar hauptsächlich in der Grundschule vor. In der vierten Klasse mussten wir ein Gedicht lesen und ich war mir nicht sicher in welcher Reihenfolge die Strophen zu lesen sind. Also habe ich meinen Mut zusammengenommen, bin nach vorne zu meiner Lehrerin gegangen und habe sie gefragt. Daraufhin antwortete sie zynisch, dass das doch klar sei und wie ich es denn auf ein Gymnasium schaffen möchte, wenn ich das nicht weiß. In den meisten Fällen passiert dem Lehrer dann nichts. Entweder, weil keiner sich traut etwas zu sagen oder, weil die Schule einfach nichts dagegen unternimmt. Die Schüler*innen hingegen, sind im schlimmsten Fall für ihr Leben geprägt und haben Probleme mit Autoritätspersonen. All das ergibt ein Konstrukt von Erwartungen, in dem man sich gar nicht wohlfühlen kann. Und das ist so unglaublich schade, denn Schule könnte so viel mehr sein.
Was ich mir für die Zukunft wünsche
Als ich noch zur Schule ging, musste ich mir von allen Seiten anhören, dass ich die Zeit in der Schule genießen soll. Ich würde sie später vermissen. Vielleicht vermisse ich die Freizeit, ja. Dadurch, dass ich nach jedem Schultag erleichtert war, wieder zu Hause zu sein, waren mir die freien Nachmittage früher sehr viel wert. Aber abgesehen davon, vermisse ich nichts. Jetzt, wo ich nicht mehr zur Schule gehe, kann ich selbst entscheiden, womit ich meine Zeit verbringen und was ich lernen möchte. Aber wieso kann man das nicht schon in der Schule? Als Schülerin war mir die Möglichkeit und Notwendigkeit dessen überhaupt nicht bewusst. Was absurd ist, wenn man bedenkt, dass Schüler*innen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule verbringen, dazu kommen noch Hausaufgaben und ähnliches. Natürlich sollten sie dort mitbestimmen dürfen. Hätte ich in meiner Schule mehr Beteiligungsmöglichkeiten wie z.B. aula gehabt, wäre es mir bestimmt besser gegangen. Natürlich hätte sich nicht alles verändert, vor allem nicht sofort. Aber ich hätte mich gesehen und gehört gefühlt. Gerade ich als stille Schülerin hätte mit aula die Chance gehabt, mich digital mit einzubringen und meine Meinung zum Ausdruck bringen zu können.
Wir leben in einer Zeit, in der eigentlich schon viel über mentale Gesundheit gesprochen wird. Wieso also nicht in der Schule? Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Schüler*innen ernst genommen werden. Vor allem, dass ihre Gefühle und Wünsche ernst genommen werden. Denn nur wenn jemand zuhört, kann man sich öffnen. Und dann wird sich hoffentlich etwas ändern.
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aula zu meiner Schulzeit? - Ein Erfahrungsbericht
Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann denke ich an vieles: An quälend lange Stunden im Matheunterricht, an Leistungsdruck, an Depressionen, an Mobbing und vor allem an den Uniformitätsdruck samt den starren Strukturen, die mir innerhalb der Schulmauern nicht nur das Gefühl gegeben haben, nicht ich selbst sein zu können, sondern auch, dass genau das im Grunde unerwünscht ist. Selbstwirksamkeit, Partizipation und demokratische Bildung waren für mich theoretische Überbleibsel aus dem Politikunterricht. Aber warum eigentlich? Und hätte das auch anders sein können?
Wagen wir also einen kurzen Rückblick: Wir schreiben das Jahr 2009, mein siebtes Schuljahr beginnt und ich stehe mit meinen Freundinnen vor dem Eingang der Schule. Dabei sticht eines sofort ins Auge. Der vormals noch graue Betonklotz erstrahlt in neuen Farben. Genauer gesagt in fadem Gelb. Was sicherlich eher als beige angedacht war, erinnerte aber auch auf den zweiten Blick mehr an eine Urinprobe beim Arzt. Hätte der Schulanstrich für 1.4 Millionen Euro damals eine Note von der Schülerschaft bekommen, wäre er vermutlich durchgefallen. Denn auch wenn vorher nie über die Außenfassade diskutiert wurde, obwohl das triste Grau keineswegs eine Augenweide war, wurde nach dem Anstrich darüber geredet.
Ich war zwar selbst keineswegs von der fragwürdigen Designentscheidung angetan und trotzdem hat mich die Frage beschäftigt, warum gerade das für so viel Zündstoff gesorgt hat. Ich glaube der Grund dafür, dass wir als Schülerschaft erst im Nachhinein protestiert haben, lag hauptsächlich an dem Fakt, dass man uns beispielhaft demonstriert hat, wie wir übergangen wurden. Zusammen mit rund 1500 Schüler*innen bin ich jeden Tag in diese Schule gegangen und niemand ist auf die Idee gekommen uns zu Fragen, mit welcher Ausgestaltung wir uns wohlfühlen würden und das, obwohl diese sich nachweislich positiv auf den Lerneffekt ausübt. Schade. An Kreativität und Ideen zur Gestaltung hat es damals definitiv nicht gemangelt. An Möglichkeiten, sich als Schülerschaft Gehör zu verschaffen, schon.
Festgefahrene Strukturen müssen hingenommen werden
Auch mit dem Überqueren der Türschwelle wurde man nicht unbedingt von einem Wohlfühlklima empfangen. Das hing für mich in vielen Fällen mit dem – aus meiner Sicht – konfusen und unnachvollziehbarem Regelwerk der Schule zusammen. Als Paradebeispiel dafür erwies sich der Aufenthalt in den Klassenräumen während der Pausenzeiten, der uns gänzlich untersagt war. Insbesondere in den Wintermonaten kam es deshalb immer wieder zu Diskussionen zwischen Schüler*innen und Lehrkräften, was unter anderem dem Umstand geschuldet war, dass die Klassenräume nahezu die einzigen Räumlichkeiten waren, die ausreichend beheizt wurden. Sogar die Sitzplätze, die zum Essen angedacht waren, befanden sich in direkter Nähe zur Tür. Den konstanten Durchzug gab es inklusive. Wer in den Pausen also gerne an einem Tisch essen wollte, hatte die unglückliche Wahl, sich zu seinem 1,20€ Schnitzelbrötchen ohne Aufpreis auch eine Blasenentzündung zu holen oder in dicker Winterjacke zu essen.
Der Grund dafür war simpel: Wenn vereinzelte Schüler*innen während der Pausen in der Klasse bleiben würden, hätten sie eine Gelegenheit zu stehlen. Das ist eine Begründung, die man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Denn was im ersten Moment vielleicht nachvollziehbar klingt, lässt im nächsten schon den impliziten Verdacht der gesamten Schülerschaft durchscheinen. Zuerst möchte ich an dieser Stelle betonen, dass es an unserer Schule nie ein Problem mit Diebstahl gab. Man hat also präventiv versucht, ein Problem zu lösen, das gar nicht existierte und eine ganze Schule unter Generalverdacht gestellt. Dieses mangelnde Vertrauen in die Schülerschaft sehe ich grundsätzlich kritisch. Eine produktive Zusammenarbeit zwischen Schüler*innen und Lehrkräften steht bei so einem grundlegenden Misstrauen auf einem schlechten Fundament. Ganz gleich wie viele Diskussionen diese Regelung damals mit sich gezogen hat – und es waren nicht wenige – man blieb bei genau dieser Aussage und jegliches Hinterfragen wurde abgewiegelt, Kompromisslösungen wurden von vornherein unterbunden. Für mich war diese Regelung völlig irrational und nicht nachvollziehbar. Es hat sich nach einer reinen Prinzip-Sache angefühlt, die im Grunde für alle Beteiligten nur Nachteile bringt. Letztendlich hatte ich das Gefühl, dass unsere Sichtweise keine Rolle gespielt hat – und, dass die Artikulation unserer Wünsche im Grunde genommen ungewollt ist.
Wie das Ausschöpfen der Machtposition schnell zur Bloßstellung führt
Dieses Machtgefälle und der Eindruck, dass das eigene Wohlbefinden keine Rolle gespielt hat, haben meine Schulzeit für mich zu einer der unangenehmeren Erfahrungen gemacht hat. Wenn ich an Situationen denke, in denen ich mich in meinem bisherigen Leben unwohl gefühlt habe, werfe ich meistens einen Blick zurück auf meine Schulzeit. Referate vor der gesamten Klasse halten, zum Sprechen aufgefordert werden, obwohl man sich nicht gemeldet hat, an die Tafel zitiert werden, um etwas zu demonstrieren – Das alles sind Situationen, die ich immer und immer wieder erlebt habe. Insbesondere diese konstante Angst des „Aufgefordert Werdens“ hat mich durch die Schulzeit begleitet und sich vorzugsweise genau dann bewahrheitet, wenn sich gerade niemand meldet; als wäre das der beste Moment, um Schüler*innen, die sich selten mündlich beteiligen, zu ermutigen. Ich bin bis heute unsicher, woher dieser Gedanke kommt.
Mir ist vollkommen klar, dass mündliche Beteiligung zur Schule dazugehört und auch, dass man im Zweifelsfall sagen kann, dass man etwas nicht weiß. Aber ich glaube, die meisten Menschen können dieses unangenehme Gefühl nachvollziehen, wenn plötzlich 30 Augenpaare auf einen gerichtet sind und man unsicher ist, was man sagen soll, sich unter Druck gesetzt fühlt und dann vielleicht redet, ohne nachzudenken. Es gibt sicher Schüler*innen, denen das nichts ausmacht. Aber für viele, und da schließe ich mich ein, waren diese Erfahrungen destruktiv. Je öfter ich dazu aufgefordert wurde, etwas zu sagen, desto weniger habe ich mich von selbst gemeldet. Diese Momente haben mir den Mut genommen, etwas zu sagen. Ein sensiblerer Umgang wäre hier wichtig gewesen. Insbesondere bei Lehrer*innen, denen es offensichtlich Spaß gemacht hat, ihre Machtposition in diesen Momenten auszureizen. Denn auch die gab es. Eine Idee wäre in jedem Fall eine anonyme Beschwerdestelle, ein Kummerkasten oder auch eine Fortbildung für die Lehrkräfte gewesen, die immer wieder durch ihr fehlendes pädagogisches Verständnis aufgefallen sind.
Die tägliche Qual und welche Werte einem wirklich vermittelt werden
Ich gehe also morgens in meine uringelbe Schule, kleide mich in der Mittagspause, als wäre das Michelin-Männchen mein Vorbild, damit mir die Blasenentzündung erspart bleibt und richte dann ein Stoßgebet gen Himmel in der Hoffnung, dass ich nicht ohne mein Zutun aufgerufen werde. Fünf Tage die Woche, acht Jahre lang, ohne das Gefühl zu haben, gehört oder gesehen zu werden, geschweige denn etwas an den festgefahrenen Strukturen ändern zu können.
Ich glaube, dass gerade die Tatsache, dass die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht berücksichtigt wurden, dazu geführt hat, dass ich innerhalb der Schule nicht ich selbst sein konnte. Ich hatte das Gefühl, dass Schule kein Ort für Bedürfnisse und Wünsche ist, dass es sich dabei um Dinge handelt, die für den Raum außerhalb gedacht sind.
Das Tragische daran ist nicht einmal, dass die Schulzeit für mich eine unangenehme Erfahrung war, sondern der Umstand, dass es auch über die Schulzeit hinaus noch eine Weile gebraucht hat, bis ich verstanden habe, dass meine Stimme einen Wert hat und, dass es die Möglichkeit gibt, mir Gehör zu verschaffen. Selbstwirksamkeitserfahrungen und die Chance auf eine freie Entfaltung, sind für mich entscheidend, um genau das zu lernen. Wenn ein System das verhindert, indem es einem vermittelt, dass man die eigenen Bedürfnisse und Ansichten vor der Türschwelle ablegen muss, weil Schule kein Ort dafür ist, dann ist das ein schlechtes System.
Hätte aula helfen können, etwas zu verändern?
Mit aula hätte es vielleicht die Möglichkeit gegeben, dieses Machtgefälle aufzuweichen und die hierarchischen Strukturen auszugleichen. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Man hätte sich auf einen Austausch einlassen und sich die Ideen der Schüler*innen zumindest anhören müssen. Das wäre ein Anfang gewesen. Mittlerweile weiß ich, dass es Vorschriften zur Gestaltung der Schulfassade gibt, und ich bin mir ebenfalls der Tatsache bewusst, dass die Aufsichtspflicht es schwierig macht, Schüler*innen allein in einem Klassenraum zu lassen. Aber auch da hätte aula einen Ansatz geboten, in dem man diesbezüglich Transparenz geschaffen hätte. Auch das „Warum“ zu verstehen, kann helfen, um unliebsame Regeln gegebenenfalls zu akzeptieren. Es hätte vielleicht dieses Ohnmachtsgefühl vertrieben und vermittelt, dass man sich respektvoll und auf Augenhöhe begegnet. Und es hätte mir vielleicht viel eher deutlich gemacht, dass die eigene Stimme einen nicht zu unterschätzenden Wert hat, von dem man gerade bei Ungerechtigkeiten und in Krisenzeiten Gebrauch machen sollte.
Das Projekt aula als solches wurde 2014 ins Leben gerufen; ein Jahr vor meinem Schulabschluss. Für mich leider ein bisschen zu spät. Aber der Ausblick darauf, dass aus dem Projekt mittlerweile eine eigene gemeinnützige Organisation geworden ist und das Interesse an einer Umgestaltung und Demokratisierung von und an Schulen steigt, stimmt mich positiv für die Zukunft.
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Neue Förderung: Postcode Lotterie
Die meisten Schulen, die mit aula eine demokratischere Schulkultur etablieren möchten, wünschen sich eine langfristige Begleitung. Dafür brauchen wir als kleines aula-Team erfahrene Partner*innen vor Ort und starke Netzwerkstrukturen. Dieses Ziel erreichen wir, indem wir mehr aula-Botschafter*innen ausbilden, die aula an Schulen einführen können oder Schulen bei der Einführung begleiten. Um das Vorhaben gezielt anzugehen, sprechen wir aktuell mit Organisationen, die uns dabei unterstützen können. Die Organisationen sind jeweils in ihren Regionen gut vernetzt und haben eine hohe Reichweite.
Was passiert jetzt?
Gemeinsam mit den jeweiligen Organisationen in bisher drei Bundesländern entwerfen wir Pläne für eine Ausbildung von neuen Botschafter*innen. Bei diesem Vorhaben unterstützt uns die Postcode Lotterie durch eine finanzielle Förderung. Diese Partnerschaft macht es möglich, dass wir vermehrt Zeit in die Konzeption investieren können und so in drei Bundesländern Pilot-Netzwerke aufbauen. Was wir hier lernen, möchten wir auch auf weitere Bundesländer anwenden. Unsere Vision ist, dass die Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen und einer demokratischen Kultur so für mehr Schulen möglich wird. So viele Schulen wie möglich sollen kritisch auf ihre Strukturen schauen können und dabei begleitet werden, sie zu verbessern.
Das aula-Team bedankt sich herzlich bei der Postcode Lotterie für das Vertrauen und die Zusammenarbeit.
„Es muss mal so richtig auf den Putz gehauen werden“
In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme – obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Henri ist elf Jahre alt und besucht die sechste Klasse des Wentzinger-Gymnasiums in Freiburg. Er ist nicht nur Unterstufensprecher an seiner Schule, sondern auch Mitglied des Freiburger Schülerrats. Egal wo: Henri möchte zeigen, dass auch junge Schüler*innen eine Stimme brauchen – und dass wir ihnen häufiger und aufmerksamer zuhören sollten.
aula: Henri, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, mitbestimmen zu können?
Henri: Das ist eine gute Frage, da kann ich dir gar keine klare Antwort geben. In manchen Bereichen kann ich mich gut durchsetzen. Aber es gibt überall immer wieder Personen, die mir zu verstehen geben, dass sie die Ansagen machen – und das fühlt sich schon blöd an. In der Schule zumindest hat sich das Gefühl verbessert, seit aula eingeführt wurde. Aula ist ja auch dafür da, um ein Zeichen zu setzen und zu zeigen: „Hey, du kannst was ändern und deine Ideen sind nicht egal.“
aula: Denkst du, dass du in der Schule ernstgenommen wirst?
Henri: Ja, meistens werde ich schon ernstgenommen – aber das liegt auch daran, dass wir supernette Menschen an unserer Schule haben, die auch jüngere Leute wie mich ernstnehmen. Außerdem habe ich ja eine relativ wichtige Aufgabe durch den Freiburger Schülerrat. Vielleicht hängt es auch ein bisschen damit zusammen.
aula: Glaubst du, dass es deinen gleichaltrigen Mitschüler*innen da anders geht? Vor allem denen, die nicht in der SMV sind?
Henri: Ja, leider schon. Die meisten Schüler in meinem Alter denken sich zum Beispiel: „Ach, ich geh nicht auf aula, ich kann sowieso nichts ändern.“ Das liegt zum Teil an den Eltern, aber zum Teil auch an den Lehrern, die ihre Schüler nicht immer zum Mitmachen motivieren.
aula: Wie geht es dir im Vergleich zu den älteren Schüler*innen? Hast du das Gefühl, dass die eher ernstgenommen werden als du?
Henri: Ja, natürlich. Ich meine, als ich in die SMV gekommen bin, haben wahrscheinlich alle gedacht: „Oh Gott, wie süß.“ Die Großen bekommen halt mehr Respekt. Aber ich glaube, die Leute haben inzwischen gemerkt, dass ich was draufhabe und dass auch ich was bewegen kann. Jetzt geht es mir sehr gut in der SMV.
aula: Aber du musstest dir das erst erkämpfen?
Henri: Ja, schon. Von vielen wurde ich mit offenen Armen empfangen, aber es gibt halt immer Ausnahmen. Am Anfang gab es schon Leute, die über meine Ideen gelacht haben und meinten, dass das sowieso nichts wird.
aula: Wenn du sowas erlebt hast, fällt es dir dann trotzdem leicht, deine Ideen zu äußern – gerade vor den älteren Schüler*innen und den Lehrer*innen? Oder gibt es Momente, in denen du dir denkst: „Boah, das würde ich jetzt echt gern sagen, aber ich traue mich nicht“?
Henri: Ne, das Problem habe ich gar nicht. Ich sag´s dann einfach, ich habe ja nichts zu verlieren. Wenn es dann nicht gut ankommt, dann ist es eben so und die Idee landet im Papierkorb.
aula: Fällt dir etwas ein, was es brauchen würde, damit du noch besser mitentscheiden kannst?
Henri: Ne, gerade nicht. Außer: Also ich darf schon sehr viel mitentscheiden, aber ich bin leider kein Klassensprecher. Also ich darf zwar mit in die SMV-Sitzungen kommen, aber ich darf nicht bei Abstimmungen mitmachen.
aula: Das heißt, du diskutierst die ganze Zeit mit, aber am Ende darfst du nicht sagen, ob du dafür oder dagegen bist?
Henri: Ja, genau. Das finde ich schon blöd. Aber ansonsten bin ich schon gerne bei SMV-Sitzungen. Ich glaube, ich werde noch mit 90 im Rollstuhl sitzen und denken: „Ach, das waren tolle Zeiten.“
aula: Wieso möchtest du überhaupt aktiv deine Schule mitgestalten?
Henri: Ich hatte einfach schon immer richtig viel Bock, etwas zu bewirken und Sachen einfach zu machen. Es gibt einige Schüler, die behaupten, die Schule sei ihnen egal. Und diese Ist-Mir-Egal-Haltung habe ich nicht.
aula: Glaubst du, dass es ihnen wirklich egal ist?
Henri: Einigen vielleicht schon. Leider ist es aber bei vielen so, dass sie tatsächlich gerne etwas ändern würden, aber denken, dass sie zu klein dafür sind.
aula: Hast du eine Idee, was den jüngeren Schüler*innen helfen würde?
Henri: aula hilft auf jeden Fall. Aber es muss auch mal so richtig auf den Putz gehauen werden. Lehrer müssen ihren Schülern sagen: „Ey Leute, ihr seid nicht egal. Ihr könnt mitbestimmen, ihr seid ein wichtiger Teil dieser Schule.“
aula: Hast du selbst mal eine Idee auf aula gepostet? Und falls ja, magst du verraten, welche das war?
Henri: Ja, tatsächlich schon. In der SMV ist mal die Idee entstanden ein „Schulkino“ zu machen, das habe ich, als es aula dann bei uns gab, direkt eingestellt. Damit meine ich eine Art Sponsorenkino, wo Filme gezeigt und die Einnahmen dann für einen guten Zweck gespendet werden. Zum Beispiel, um den Menschen in der Ukraine zu helfen oder für eine bessere Bezahlung des Putzpersonals an unserer Schule. Aus der Idee ist dann aber nichts geworden. Wir sind eigentlich schon richtig gut vorangekommen, aber dann ist es an den Lizenzen gescheitert, die man für sowas braucht. Wir hätten halt nicht einfach Star Wars 4 bei uns im Kino zeigen dürfen.
aula: Glaubst du, dass Schüler*innen in Zukunft mehr mitentscheiden dürfen als jetzt?
Henri: Ja, schon. Jetzt gerade endet so die Generation von Lehrern, die sagt: „Wir sind die Chefs und ihr seid die Kinder und habt nicht mitzubestimmen.“ Ich habe das Gefühl, dass im Moment so eine Aufbruchsstimmung wieder herrscht und dass sich in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren viel tun wird und Schüler mehr entscheiden dürfen.
aula: Das heißt, du machst mit jüngeren Lehrer*innen andere Erfahrungen als mit älteren, wenn es um Mitbestimmung geht?
Henri: Ja. Es gibt auch ältere Lehrer, die wahnsinnig Bock haben tolle Sachen zu machen, aber es gibt auch viele, die einfach ihren Lehrplan durchziehen und bei denen es wirkt, als wäre ihnen egal, wie es ihren Schülern geht. Gerade viele junge Lehrer haben dafür umso mehr Lust und ein gutes Verhältnis zu ihren Schülern – die geben sich sehr viel Mühe.
aula: Henri, es dauert noch etwas, bis du die Schule verlässt, aber hast du trotzdem schon etwas, was du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschst?
Henri: Ich wünsche ihnen, dass die Lehrer ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dass die Lehrer wirklich sagen: „Hey, du kannst was bewirken und ich helfe dir dabei.“ Dass die Lehrer sie an die Hand nehmen und den Weg mit ihnen zusammen gehen. Und dass die Schule dann nicht mehr nur ein Ort ist, an dem man lernt, sondern darüber hinaus zu einem tollen Ort wird, wo man einfach gerne seine Zeit verbringt.
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Empfehlungen zu Demokratiebildung und was aula damit zu tun hat
Wir leben in einer Demokratie, aber was bedeutet das eigentlich für unseren Alltag? Die Staatsform hat nicht unbedingt viel mit der Organisation unseres Schul-, Familien- oder Arbeitslebens zu tun. Deshalb müssen Demokratiekompetenzen gezielt vermittelt werden – und zwar ganz besonders auch in der Schule. Am 13. September 2023 hat eine durch die Hertie-Stiftung einberufene hochrangige Kommission einen Bericht vorgestellt, der sich mit der Demokratiebildung von morgen beschäftigt. Wir freuen uns sehr, dass aula Teil der dazugehörigen Toolbox ist. Der Bericht enthält Forderungen an Politik und Schule, während die Toolbox konkrete Vorschläge für Konzepte zur Demokratiebildung sammelt.
Die Expert*innen haben sich eineinhalb Jahre lang mit dem Thema „Demokratie und Bildung“ beschäftigt. Die Kommission wurde unter anderem unterstützt vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem ifo Institut. Die beteiligten Expert*innen sind:
Dr. Ingrid Hamm (Leiterin der Kommission, geschäftsführende Gesellschafterin der Global Perspectives Initiative)
Anna Engelke (Journalistin)
Maja Finke (Abiturientin des Jahrgangs 2022, ehem. Mitglied des Jugendbeirats der Hertie-Stiftung)
Diana Kinnert (Publizistin, Unternehmerin, Beraterin)
Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung)
Mirko Meyerding (Schulleiter der Gesamtschule Ebsdorfer Grund)
Prof. Dr. Armin Nassehi (Lehrstuhl für Soziologie an der LMU)
Prof. Dr. Andreas Schleicher (Direktor des Direktorats für Bildung der OECD, verantwortlich für die PISA-Studie)
Linda Teuteberg (Bundestagsabgeordnete)
Prof. Dr. Ludger Wössmann (Leiter des ifo Zentrum für Bildungsökonomik und Professor für VWL an der LMU)
Die Mitglieder der Kommission verbindet die „Überzeugung, dass die heranwachsenden Generationen die bestmögliche Unterstützung brauchen, um die Herausforderungen der kommenden Jahre von internationalen Sicherheitsfragen bis zum Ressourcenverbrauch gut zu bewältigen“ (Bericht „Mehr und besser“ S. 4). Dahinter steht das Wissen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass herausfordernde Fragen zukünftig weiterhin in demokratischen Prozessen ausgehandelt werden. Es entsteht also ein dringender Handlungsbedarf für Demokratiebildung – und zwar möglichst früh.
Die Kommission hat sich insbesondere mit der schulischen Demokratiebildung beschäftigt, weil hier alle jungen Menschen erreicht werden können. Schule hat das Potenzial, ein idealer Lernort für demokratische Prozesse zu sein.
Gelerntes Wissen ist nicht gelebtes Wissen
Politische Bildung findet in der Schule formal statt – wenn auch mit ungleicher Verteilung von Wochenstunden zwischen den Bundesländern und Schulformen. Was jedoch an vielen Schulen fehlt, ist eine lebendige Umsetzung demokratischer Prozesse. Eine Lernumgebung, die über die Theorie von formaler politischer Bildung hinausgeht.
„Eine demokratische Ordnung ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss von Menschen getragen werden, die ihre Grundwerte kennen und schätzen und demokratische Praxis eingeübt haben. Weil es keine Demokratie ohne Demokraten und Demokratinnen geben kann und weil Menschen nicht als solche auf die Welt kommen, ist Demokratie eine Bildungsaufgabe – in den Familien und in den Schulen.“ (Bericht „Mehr und besser“ S. 5)
Die Kommission hat strukturelle Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten der Demokratiebildung herausgearbeitet und erleichtert gleichzeitig den Zugang zu konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Dafür wurde eine Toolbox entwickelt, die als eine Art Sammlung erprobter Demokratiepraxis für Schulen zu verstehen ist. Wir freuen uns sehr, dass aula in der Kategorie „Partizipation und Selbstwirksamkeit“ empfohlen wird. Die Toolbox soll stetig überarbeitet und erweitert werden.
Forderungen der Kommission
Im Bericht werden Forderungen formuliert, die sich vor allem an politische Entscheider*innen richten.
Dabei geht es um die Umsetzung von Demokratiebildung in Schulen, für die eine „konzertierte Aktion ‚Demokratiebildung‘“ (Mehr und besser, S. 50) gefordert wird – gemeinsam umgesetzt von Verantwortlichen der Bundesregierung und der Bundesländer. Die Bildungsarbeit soll schon früh beginnen, denkbar seien Umsetzungen in der Primarstufe und sogar früher. Dabei braucht es verbindliche Standards, die nicht optional umgesetzt werden können, sondern die durch eine Art Demokratie-Pisa gemessen werden können. Als Anregung für Beteiligungen und Projektumsetzungen werden Anreize von staatlicher Seite wie die Einführung von Demokratiebudgets empfohlen, über die die Schulgemeinschaft gemeinsam entscheidet. Um die Herausforderungen der Demokratiebildung erfolgreich zu meistern, fordert die Kommission mehr Autonomie für Schulleitungen und Lehrkräfte für mehr Gestaltungsfreiheit im Schulalltag. Ganz konkret könne das durch den Einsatz von Demokratiescouts an Schulen unterstützt werden, die sich um die Koordination der Demokratiebildungsangebote kümmern. Das Vertrauen in politische Prozesse und das politische Personal, so die Kommission, sollte durch alltäglichere Besuche von Politiker*innen in Schulen gestärkt werden. Zu guter Letzt fordert die Kommission, dass positive Vorbilder im Feld der Demokratiebildung sichtbar gefeiert werden und dass eine nationale Plattform eingerichtet wird, die evidenzgeprüfte Konzepte sammelt. In Großbritannien gibt es eine solche Plattform schon heute.
Am Tag der Veröffentlichung wurde der Bericht nicht nur im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt, sondern auch dem Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt übergeben.
Und jetzt?
Wir von aula unterstützen, dass sich die Kommission mit ihren Partnerorganisationen und der Hertie-Stiftung dafür einsetzt, dass Demokratiebildung ganz oben auf der Agenda der Verantwortlichen steht. Dabei möchten wir aber auch betonen, was unserer Meinung nach nicht immer ganz klar wird im Bericht: Demokratiebildung muss finanziell nachhaltig gesichert werden und Demokratiebildung muss für alle möglich sein. Entsprechende Förderungen müssen ausgeweitet werden, der Zugang für Schulen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen muss erleichtert werden.
So können wir sicherstellen, dass nicht nur diejenigen Schulen, die über Töpfe aus Fördervereinen und Co. verfügen, eine qualitativ hochwertige Demokratiebildung integrieren. Alle Schüler*innen sollen die Möglichkeit haben, ihre Selbstwirksamkeit zu steigern und von einer demokratischen Schulkultur zu lernen.
„Die Perspektive des Einzelnen hat keine Rolle gespielt“
In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme – obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Pia ist 21 und studiert im sechsten Semester Englisch und Erziehungswissenschaft auf Lehramt in Münster. In ihrer Schulzeit hat sie erlebt, wie ohnmächtig man sich als Schülerin gegenüber festgefahrenen Strukturen und Hierarchien fühlen kann. An einer Auseinandersetzung mit der Frage, wie Lehrer*innen ihre Schüler*innen diesbezüglich stärken und aus Schulen mehr machen können, als Orte zur Vermittlung von Lehrinhalten, mangelt es nach Pia – selbst im Lehramtsstudium.
aula: Pia, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, mitentscheiden zu können?
Pia: Zunächst im Privatleben – ich darf entscheiden, wofür ich mein Geld ausgebe und welchen Lebensstil ich verfolgen möchte. Dann im Studium, da ich mir selbst aussuchen konnte, was ich studieren möchte und die Möglichkeit habe zwischen verschiedenen Seminaren zu wählen und eigene Schwerpunkte zu setzen. Außerdem gibt es natürlich noch den politischen Bereich, das bedeutet für mich vor allem, dass ich an Wahlen teilnehmen darf. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene kann ich außerdem selbst entscheiden, ob und für welche Themen ich mich engagieren möchte.
aula: Du scheinst das Gefühl zu haben, dass du auf verschiedene Bereiche in deinem Leben Einfluss nehmen kannst. Hat sich dieses Gefühl verändert, seit du dein Abitur gemacht und die Schule verlassen hast?
Pia: Ja, ich denke schon. Dadurch, dass ich ausgezogen bin und zum Teil mein eigenes Geld verdiene, habe ich das Gefühl, mehr Spielraum und Entscheidungskraft in meinem Leben zu haben.
aula: Denkst du, dass du in deiner Schulzeit Einfluss nehmen konntest?
Pia: Nein, da hatte ich nie wirklich das Gefühl, dass ich Einfluss nehmen kann. Ich habe die Schule als einen Ort wahrgenommen, an dem es sehr feste Strukturen gibt, nach denen man sich verhalten muss und an dem man als Schüler*in gar kein Recht hat, etwas zu verändern. Meine Wahrnehmung war eher, dass einem vermittelt wird, dass es bestimmte Spielregeln und Rollen gibt. Als Schülerin war mir immer klar, was ich machen muss, damit ich erfolgreich meinen Abschluss erreiche. Alles andere erschien mir als zu starr, um es alleine beeinflussen zu können.
aula: Fällt dir rückblickend etwas ein, was du gerne in der Schule verändert hättest?
Pia: An der Uni habe ich die Möglichkeit, meine Prüfungsleistung auf unterschiedliche Arten zu erbringen – ich kann eine Klausur schreiben, ein Referat halten oder eine Hausarbeit abgeben. In der Schule ist das bislang nicht möglich, wobei ich finde, dass mehr Varianz in der Leistungserbringung auch hier viele Vorteile haben kann. Es gibt immer Schüler*innen, die sich zum Beispiel nicht wohl damit fühlen, vor der ganzen Klasse zu sprechen oder andere, die Angst vor Klausuren haben. Ich glaube, mehr Flexibilität an dieser Stelle könnte Schüler*innen entlasten.
aula: Warst du in der Schüler*innenvertretung oder gab es ein anderes Amt, was du in deiner Schulzeit inne hattest?
Pia: Nein, beides nicht. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass es eine für diese Ämter prädestinierte Gruppe an Schüler*innen gibt, zu der ich mich selbst nicht gezählt habe. Außerdem hatte ich auch privat viel zu tun und dachte mir: „Naja, wenn die das machen, muss ich mich da ja nicht auch noch einmischen.“ Das ist vielleicht die falsche Einstellung, aber ich bin einfach davon ausgegangen, dass es schon genug engagierte Schüler*innen gibt. Man muss aber auch sagen, dass nie jemand aktiv auf mich zugekommen ist und mich zum Mitmachen motiviert hat. Das hat mein Gefühl, dass ich dort nicht gebraucht werde, wahrscheinlich noch verstärkt.
aula: Hast du mitbekommen, was in der Schüler*innenvertretung so besprochen wurde?
Pia: Es ist nicht vollends an mir vorbeigegangen. Zwischendurch habe ich ein bisschen was mitbekommen und ich wusste, dass sie einmal die Woche ihre Sitzung haben und welche Aktionen sie so planen. Aber ich könnte jetzt keine Details nennen.
aula: Ist es dir in der Schule leichtgefallen, deine Ideen und Bedürfnisse zu äußern?
Pia: Ich glaube, dass ich mich eher im Stillen beschwert habe, wenn mich etwas gestört hat – oder höchstens noch bei Freund*innen. Ich hatte immer das Gefühl, dass selbst die Schüler*innenvertretung nicht wirklich etwas an der Schule bewegen kann. Mir hat eine Plattform gefehlt, über die ich meine Meinung äußern kann. Es gab nie die Gelegenheit, zu sagen, was einen an der eigenen Schule gefällt oder stört, es wurde nie ein Stimmungsbild von den Schüler*innen eingeholt. Die Perspektive des Einzelnen hat keine Rolle gespielt.
aula: Bedeutet das, dass du dich in deiner Schulzeit nicht als Individuum gesehen gefühlt hast?
Pia: Ich glaube, die Rolle als Schüler*in ist klar vorgegeben: Du sollst im Unterricht anwesend sein und dich dort so gut wie möglich beteiligen. Außerhalb des Unterrichts wusste ich nicht, was meine Rolle sein soll. Also bin ich in den Unterricht gegangen, war dort in meiner Rolle als Schülerin, dann ging ich in die Pause und war quasi raus aus dem Ganzen. Schule wird so zu einem Ort, den man für den Unterricht besucht und wieder verlässt, sobald man seine Rolle in diesem erfüllt hat.
aula: Was hätte es gebraucht hätte, damit Schule mehr als Unterricht ist?
Pia: Ich denke, dass es an einer Plattform oder Möglichkeit gefehlt hat, über die man seine Meinung kundtun kann – bestenfalls anonym, weil es nicht für jede Person gleich einfach ist, etwas zu kritisieren und Veränderung einzufordern. Es wäre wichtig gewesen, sich gefragt zu fühlen.
aula: Pia, warum studierst du auf Lehramt?
Pia: In erster Linie habe ich Interesse an den Fächern, die ich studiere. Aber ich habe auch schon immer gerne mit Kindern und Jugendlichen zusammengearbeitet und zum Beispiel lange Zeit Schwimmkurse gegeben. Das hat mir gezeigt, dass es mir Spaß macht, Kindern etwas beizubringen und einen positiven Einfluss auf ihre Entwicklung zu haben.
aula: Glaubst du, dass dir die negativen Erfahrungen, die du als Schülerin bezüglich Beteiligung in der Schule gemacht hast, langfristig im Gedächtnis bleiben? Oder beginnen die Erinnerungen schon zu verblassen?
Pia: Mir ist es jetzt schon teils schwergefallen, mich zu erinnern – und so lange ist das alles echt nicht her. Ich glaube, mit den Jahren reduziert man das Ganze auf die Unterrichtsperspektive, also, dass man noch in etwa weiß, wie man den Unterricht erlebt hat, aber alles andere immer mehr in den Hintergrund gerät.
aula: Wird in deinem Studium über Themen wie Mitbestimmung oder Selbstwirksamkeit von Schüler*innen geredet?
Pia: Ich habe in beiden Fächern in je einem Seminar über Selbstwirksamkeit gesprochen, aber nicht im Sinne von Mitbestimmung, sondern eher im Sinne von Motivation und inwieweit Selbstwirksamkeit durch den Unterricht gestärkt werden kann. Es spielt dementsprechend als Begriff schon eine Rolle, aber eher in der Didaktik. Im Sinne von Mitbestimmung wird das gar nicht thematisiert.
aula: Fändest du es sinnvoll, wenn die Thematik auch nicht-unterrichtsbezogen besprochen werden würde?
Pia: Auf jeden Fall. Bislang ist das Lehramtsstudium sehr fächerbezogen und beschäftigt sich kaum mit schulischen Themen. Ich hatte bis jetzt nur ein oder zwei Seminare, in denen Schule überhaupt mal angesprochen wurde. Das bedeutet, dass aus meiner Sicht überhaupt mehr über Schule insgesamt gesprochen werden muss und nicht nur über Selbstwirksamkeit oder Mitbestimmung von Schüler*innen. Es gibt auch viel zu wenig Praxisphasen im Studium und somit kaum Gelegenheit, Erfahrungen in der Schule sammeln zu können.
aula: Glaubst du, dass Projekte wie aula dabei helfen können, dass Schüler*innen positive Beteiligungserfahrungen machen?
Pia: Ja! Es ist immer schön, wenn Schüler*innen das Gefühl bekommen, gehört zu werden und innerhalb dieses starren Schulsystems in kleinen Schritten etwas verändern zu können. Außerdem glaube ich, dass es auch für die Lehrkräfte wichtig ist mitzubekommen, wo die Interessen der Schüler*innen liegen und welche Ideen sie haben.
aula: Glaubst du, dass Schüler*innen in ein paar Jahren mehr Mitentscheidungsrechte haben werden?
Pia: Wenn ich jetzt direkt „Nein“ sage, hört sich das so negativ an. Ich sag´s mal so: Wenn ich mir die Zeit von meinem Abitur bis jetzt angucke, stelle ich fest, dass sich nicht viel an deutschen Schulen verändert hat. Aber wenn es in den nächsten Jahren immer mehr Projekte gibt, die sich für Schüler*innen einsetzen und diese auch von den Schulen angenommen werden, denke ich, dass sich eine positive Entwicklung ankurbeln lassen könnte.
aula: Was wünschst du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen?
Pia: Ich hoffe, dass ihnen das Gefühl gegeben wird, ihre eigene Meinung äußern und etwas bewirken zu können. Ich glaube, dass die Motivation und Stimmung an einer Schule positiv beeinflusst werden kann, wenn Schüler*innen sich in der Lage fühlen, kleine Veränderungen herbeiführen zu können.
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„Schüler*innen verstehen, dass man Veränderung einfordern kann“
In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme – obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Vincent ist siebzehn Jahre alt und geht in die zwölfte Klasse der Ellen-Key-Schule in Berlin. Er findet, dass es an seiner Schule genug offene Ohren für kleine Wünsche gibt. Auf der politischen Ebene jedoch passiere zu wenig – niemand rüttelt mal am System.
aula: Vincent, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, dass du mitentscheiden kannst?
Vincent: Im privaten Bereich kann ich mitentscheiden. Alles, was mich betrifft, entscheide ich im Prinzip selbst – was ich beruflich machen möchte, zum Beispiel. Wenn es auch um andere geht, dann hat man schon weniger Entscheidungsmacht. Und in so großen Institutionen wie der Schule, wenn es feste Strukturen gibt und verschiedene Positionen darin, dann ist es sehr schwer, etwas zu ändern.
aula: Das heißt, du nimmst die Schule als einen Bereich wahr, in dem du weniger Einflussmöglichkeiten hast als in deinem privaten Umfeld?
Vincent: Ja, genau. Aber auch die Politik. Das sind beides Bereiche, in denen es feste Grundsätze gibt, an denen man nicht so leicht etwas verändern kann.
aula: Bedeutet das, dass es dir in der Schule schwerer fällt, deine Bedürfnisse und Ideen einzubringen?
Vincent: Es kommt sehr darauf an, welche Bedürfnisse das sind. An dem Benotungssystem oder dem Unterrichtsstoff kann man nicht rütteln. Da ist alles sehr starr.
aula: Würdest du gerne daran rütteln?
Vincent: Ja! Man könnte sollte sich mal ernsthaft fragen, wieso man das alles so macht. Das Notensystem wird ja bereits viel kritisiert. Ich finde, da sollte man wirklich mal was ändern.
aula: Was ist denn mit kleineren Wünschen, die nicht das große Ganze, aber trotzdem den Bereich Schule betreffen? Kannst du die äußern?
Vincent: Wenn es um kleinere Dinge geht, kommt es vor allem darauf an, an wen man sich wendet. Aber ich finde, an unserer Schule funktioniert es ganz gut. Es gibt viele engagierte Lehrer*innen, die man ansprechen kann, wenn man eine Idee oder einen Wunsch hat. Außerdem haben wir Schülersprecher*innen, die sich einsetzen.
aula: Das heißt, man stößt mit seinen Anliegen in der Regel auf offene Ohren?
Vincent: Mit den kleinen Anliegen schon. Aber wenn es um größere und eher grundsätzliche Fragen geht, dann passiert eigentlich nichts, wie gesagt.
aula: Was sind denn Beispiele für solche Wünsche oder Bedürfnisse, die du selbst hast oder die du häufiger von anderen hörst?
Vincent: Wenn es spezifisch um unsere Schule geht, dann ist gerade ein großes Thema, dass wir den vorderen Pausenhof nicht verändern dürfen. Aus Denkmalschutz-Gründen. Das ist allerdings der Bereich für die Oberstufenschüler*innen. Aktuell müssen wir quasi auf dem Gehweg stehen in unseren Pausen, weil wir eben keine Bänke oder sowas aufstellen dürfen. Das ist ziemlich nervig, aber da kann die Schule selbst nichts dran ändern. Davon abgesehen geht es viel um das System an sich, darum, dass die Notenvergabe oft ungerecht ist, zum Beispiel. Wir haben gerade erst wieder eine Matheklausur nach den Ferien geschrieben. Die fallen bekanntermaßen immer schlechter aus als die Klausuren, die vor den Ferien geschrieben werden. Aber da wird nichts verändert, das bleibt einfach so, obwohl wir uns beschweren. Weil man es schon immer so gemacht hat.
aula: Was bräuchte es, damit du besser mitentscheiden kannst – wenn wir jetzt einmal bei den kleineren Ideen bleiben, die sich direkt an deiner Schule umsetzen lassen?
Vincent: Also einmal, dass sich noch mehr Lehrkräfte offen für Veränderung zeigen. Dass man irgendwann wirklich mit allen reden kann und da nicht vor die Wand läuft. Aber dann auch so Möglichkeiten wie aula zum Beispiel. Projekte, die Schüler*innen dabei unterstützen, sich einzubringen.
aula: Konnte das aula-Projekt denn etwas für dich persönlich verändern?
Vincent: Ich war an der aula-Einführung an meiner Schule beteiligt. Da durfte ich zum Beispiel, gleichberechtigt mit den Lehrer*innen, darüber abstimmen, ob wir aula vor oder nach den Ferien starten. Das war schon cool. Das Gefühl, wie sehr man mitbestimmen darf, das hat sich schon verändert. Auch dadurch, dass man sich nicht mehr durch unnötig komplizierte oder unangenehme Situationen durchkämpfen muss, um eine Idee einzubringen. Dass man seine Idee direkt in der App posten kann, sorgt dafür, dass man auch mehr Lust hat mitzuentscheiden. Aber bisher ist aula bei uns eher noch in der Anfangsphase, also konkrete Projekte wurden noch nicht umgesetzt.
aula: Hast du selbst schon Ideen über aula eingebracht?
Vincent: Noch nicht wirklich. Aber wir Schüler*innen wollen ja auch oft das Gleiche. Zum Beispiel, dass die Toiletten nicht so oft verschmutzt sind oder dass es dort immer Toilettenpapier gibt und man nicht erst danach fragen muss. Da sind sich alle einig, dass sich da etwas verändern muss.
aula: Gibt es etwas, was du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschen würdest?
Vincent: Ja, Veränderung in diesen grundsätzlichen Themen. Zum Beispiel im Fach Sport sollte nicht so streng benotet werden. Da sollten alle, die sich wirklich anstrengen, auch die Chance auf eine gute Note haben. Beziehungsweise sollten wir uns vielleicht auch mal überlegen, ob es in Fächern wie Sport wirklich Noten braucht.
aula: Glaubst du, dass es in der Zukunft mehr Mitentscheidungsrechte für Schüler*innen geben wird?
Vincent: Ich weiß es nicht. Ich weiß, man soll immer positiv bleiben, aber es gab bisher so wenig Veränderung, dass ich da nicht besonders zuversichtlich bin. Da braucht es eine Veränderung in der Politik, also dass da wirklich mal der Wille zu Reformen in unserem Schulsystem aufkommt und das sehe ich noch nicht. Da bin ich gerade eher pessimistisch.
aula: Und im kleineren Rahmen?
Vincent: Ja, also da tut sich was. Mit Projekten wie aula zum Beispiel, aber auch dadurch, dass Schüler*innen durch das Internet, die sozialen Medien, die Globalisierung und so weiter früher politisch aktiv werden und verstehen, dass man Veränderung auch einfordern kann.
aula: Also denkst du, dass Schüler*innen in der Zukunft stärker dafür einstehen werden, dass sie mitbestimmen dürfen?
Vincent: Ja, genau. Ich glaube nicht, dass das die große Veränderung bringen wird. Aber im kleinen Rahmen, da kann sich zukünftig etwas bewegen.
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