In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme ­– obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Dass es auch anders geht, zeigt ein Interview mit Edda. Edda ist siebzehn Jahre alt und geht in die zwölfte Klasse der Ellen-Key-Schule in Berlin. Als Klassensprecherin erlebt sie, dass Mitbestimmung in der Schule funktionieren kann. Sie weiß aber auch, dass es dafür vor allem zwei Dinge braucht: Durchsetzungsfähigkeit und Zeit.

 

aula: Edda, zum Einstieg eine sehr große Frage: In welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, dass du mitentscheiden kannst?

Edda: Da gibt es viele! Erstmal in meiner Familie. Meiner Mutter ist die Meinung von uns Kindern sehr wichtig. Außerdem bin ich in einer Beziehung, da ist es natürlich auch wichtig, dass beide mitentscheiden können. In der Schule kann ich auch mitentscheiden. Allerdings sind das alles Felder, in denen ich erst im Laufe der Zeit gelernt habe, wie ich meine Meinung am besten einbringen kann – und dass ich mich trauen muss, es anzusprechen, wenn ich finde, dass ich nicht genug einbezogen werde.

aula: Hast du das Gefühl, dass du auf politischer Ebene Einflussmöglichkeiten hast?

Edda: Ja, klar. Ich bin siebzehn, das heißt, ich darf zumindest bei manchen Wahlen mitwählen. Ansonsten kann ich mich an Demonstrationen beteiligen. Natürlich hat man mehr Einfluss-möglichkeiten, wenn man volljährig ist, aber momentan stört mich das nicht. Ich merke, dass ich in den letzten zwei Jahren reifer geworden bin und erst jetzt angefangen habe, mich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Außerdem werde ich in zwei Wochen schon achtzehn, also mal sehen, wie es dann wird.

aula: Du hast gesagt, dass Schule ein Bereich ist, in dem du mitentscheiden darfst. Fällt es dir leicht, dich in der Schule mit deinen Ideen und Bedürfnissen einzubringen?

Edda: Es ist nicht immer ganz einfach. Hier an der Schule gibt es achthundert Schüler, daher ist es schwer, alle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ich bin Klassensprecherin und damit Teil der Schülerversammlung, weshalb ich besondere Einflussmöglichkeiten habe. In der Schülerversammlung können wir Probleme gezielt ansprechen und die Anliegen von Klassen und Kursen einbringen. Da funktioniert das mit dem Beteiligen und Sich-Durchsetzen ganz gut. Gerade, weil unsere Schülersprecher in einem engen Austausch mit der Schulleitung stehen und so die Bedürfnisse der Schüler über sie weitergegeben werden können.

aula: Die Schülerversammlung wird deiner Meinung nach also ernstgenommen?

Edda: Ja, werden wir. Aber natürlich gibt es auch Dinge, die sagt man immer wieder und es funktioniert nicht.

aula: Was denn zum Beispiel?

Edda: Aktuell versuchen wir durchzusetzen, dass es Periodenprodukte auf den Schultoiletten gibt. Das Problem ist, dass einige Lehrer davon ausgehen, dass nicht sorgsam damit umgegangen wird. Dass die Produkte geklaut werden oder sowas. Ich finde, da bräuchte es eine Probephase, um zu testen, ob es nicht doch funktionieren kann. Daher: Es gibt schon manchmal ein Gegeneinander von den Bedürfnissen der Schüler und den Vorannahmen der Lehrer.

aula: Fühlst du dich heute ernstgenommener als in der Unterstufe oder vor deiner Zeit als Klassensprecherin?

Edda: Innerhalb der Schülerschaft auf jeden Fall. Wenn man älter ist, wird man auch eher ernstgenommen. Aber ich habe gemerkt, dass es mir in diesem Jahr weniger wichtig geworden ist, dass auf mich gehört wird. Ich gehe nur noch anderthalb Jahre zur Schule. Daher ist für mich wichtiger, was jüngere Schüler wollen. Außerdem war ich im letzten Schuljahr definitiv engagierter als jetzt, da hatte ich mehr Zeit. Das war eine coole Erfahrung, weil ich das Gefühl hatte, wirklich mitwirken zu können. Aber jetzt konzentriere ich mich stärker auf den Unterricht. Ich habe einfach nicht mehr so viel Zeit für Engagement in der Schule, weil ich immer Gefahr laufe, Stoff zu verpassen. Wenn ich in der Schülerversammlung sitze, verpasse ich bereits zwei Stunden, die ich anschließend nachholen muss.

aula: Das bedeutet, dass du dich eigentlich gerne mehr engagieren würdest, aber dir die Zeit dafür fehlt?

Edda: Ja, genau. Es fehlt allen an Zeit. Es gibt wohl manchmal Freistunden, die man theoretisch nutzen kann, um sich zu engagieren, aber weil nicht alle gleichzeitig frei haben, gibt es immer Schüler, die für ihre Teilnahme im Unterricht fehlen und dann alles nacharbeiten müssen. Manchmal riskiert man sogar eine Fehlstunde.

aula: Was bräuchte es außer Zeit noch, damit du besser mitentscheiden kannst?

Edda: Wenn man eine Idee oder ein Anliegen hat, ist es manchmal gar nicht so einfach herauszufinden, an wen man sich damit wenden kann. Theoretisch kann man immer zur Schulleitung gehen, aber die kann sich nicht um achthundert Schüler gleichzeitig kümmern. Es würde deswegen helfen, wenn regelmäßig direkt bei den Schülern nachgefragt wird, was gerade gebraucht wird. Aber vor allem braucht es mehr Zeit.

aula: Hat deine Teilnahme an dem aula-Projekt etwas für dich verändert?

Edda: Durch aula wurde mir zum ersten Mal bewusst, in welchen Bereichen wir Schüler vorher überhaupt nicht mitreden durften. Außerdem finde ich den Aufbau des Projekts gut. Also, dass es verschiedene Phasen gibt, durch die eine Idee immer konkreter wird. Und es ist schön zu wissen, dass die Idee auch umgesetzt werden muss, wenn sie es durch alle Phasen geschafft hat. Manchmal gibt es natürlich Schwierigkeiten: Die Idee mit den Periodenprodukten hat zwar viele Stimmen bekommen, aber es sind auch einige Problempunkte aufgekommen, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Oder ein anderes Beispiel ist, dass wir Sitzbänke vor dem Schulgebäude aufstellen wollten, was nicht geht, weil die Fassade nicht verändert werden darf. Das bedeutet, dass nicht immer alles klappt, aber zumindest erfahren wir Schüler jetzt die Gründe dafür. Dadurch merkt man, dass es nicht daran liegt, dass unsere Ideen nicht erwünscht sind. Wir wissen jetzt, wo wir ansetzen können, wenn wir etwas bewegen wollen.

aula: Was würdest du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschen?

Edda: Das ist für mich ein Riesenthema, weil ich noch zwei jüngere Geschwister habe. Ich wünsche mir natürlich, dass zum Beispiel das aula-Projekt ausgeweitet und intensiver genutzt wird, damit Schüler ihre Meinung besser einbringen können. Außerdem wünsche ich mir sowas wie Projekttage. Wir wollten mal unseren Klassenraum umgestalten, aber das ging nicht, weil es mal wieder keine Zeit dafür gab. Feste Projekttage könnte man gut für sowas nutzen.

aula: Denkst du, dass es in den nächsten Jahren mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten für Schüler*innen geben wird?

Edda: Ja, ich würde sagen, dass wir auf einem guten Weg dahin sind. Die Digitalisierung ist dafür wichtig, denke ich. Früher gab es nicht die Möglichkeit, dass achthundert Schüler gleichzeitig zusammenkommen und sich austauschen ­– heute geht das auf digitalem Wege schon. Ich glaube, dass es noch etwas braucht, um alles wirklich in Gang zu bringen, aber dann ist einiges möglich. Hier an der Schule wurden bereits einige Projekte gestartet und es gibt viele engagierte Lehrer, an die man sich immer wenden kann und die einem helfen. Es wird also bereits versucht, etwas zu verändern.

Unter #dubistdemokratie veröffentlichen wir in den nächsten Monaten Geschichten von jungen Menschen, von den Erfahrungen rund ums Thema Demokratie, die sie in ihrem Leben und in der Schule gemacht haben. Wir freuen uns, wenn ihr die Geschichten teilt, wenn ihr eigene Erfahrungen einbringt, wenn ihr uns mit einer Spende unterstützt oder jemanden kennt, der jemanden kennt. Sei dabei : Du bist Demokratie. aula.de/spenden

Nelly Paul